|
"Die
vorliegende Wiedergabe des Tao-te-king bezweckt lediglich, den Leser mit dem
Gedankeninhalt der Schrift bekannt zu machen. Unvereinbar mit der strengen Durchführung
dieses Zwecks wäre der Versuch gewesen, zugleich ihrem dichterischen Wert gerecht zu
werden.
Eine völlig neue Übersetzung ist
der Text, wie er nachstehend geboten wird, nicht. Er beruht vielmehr auf einer kritischen
Vergleichung aller erreichbaren deutschen, englischen und französischen Übersetzungen
unter sich und mit dem chinesischen Text. Auch anderweitige Literatur, deren Benutzung
sachdienlich schien, habe ich herangezogen ...
Der Gedanke, der mich bei meiner
Arbeit leitete, war der, hinter der von Hause aus chaotischen, vielfach verderbten und
durch die Unvollkommenheit der chinesischen Schriftsprache schwer zu enträtselnden
Schrift den Mann und Denker und seine Grundideen zu suchen und von den letzteren aus
Stellung zu den vielen Streitfragen zu nehmen, die zwischen den Übersetzern bestehen.
Wenn nun auch überwiegende Gründe
dafür sprechen, die Schrift in der Hauptsache als echt zu betrachten, so kann es doch
keinem Zweifel unterliegen, daß sie vielfache Verstümmelungen und auch Einschiebungen
erfahren hat. Ihre jedenfalls von vornherein ziemlich chaotische Anordnung ist dadurch
noch verwirrender geworden. Auch die Einteilung in zwei Bücher mit zusammen 81 Kapiteln
ist sicherlich nicht die ursprüngliche, und die Überschriften, mit denen die Kapitel
wohl verhältnismäßig spät versehen wurden, sind meist geradezu irreführend, so daß
sie mit Recht von den meisten Übersetzern weggelassen werden. Wenn so die Verfassung, in
der die Schrift uns vorliegt, schon große Schwierigkeiten für deren Studium mit sich
bringt, so werden diese Schwierigkeiten noch erhöht durch die Unvollkommenheit und
Unbeholfenheit der chinesischen Sprache, insbesondere durch die Vieldeutigkeit der
Wortbilder und den Umstand, daß dasselbe Zeichen, das ein Substantiv zum Ausdruck bringt,
ohne irgendwelche unterscheidenden Merkmale auch für das entsprechende Adjektiv, Verb oder
Adverb stehen kann. So bietet das Tao-te-king Rätsel, die nie restlos gelöst werden
mögen. Aber zu der Annahme, daß Lao-tse absichtlich seine Aussprüche dunkel und
schwerverständlich gehalten habe, berechtigt das nicht."
(Aus Vorwort und Einleitung des Verfassers)
Der Versuch einer sachlichen, wissenschaftlichen
Textwiedergabe durch Vergleich fremder Übersetzungen,
jedoch ohne Intention, den Inhalt über diese Grenzen hinaus darzulegen oder zu deuten.
m
|