1908
Joseph Kohler


(*9.3.1849, V3.8.1919) Geboren in Offenburg; studiert Rechtswissenschaft in Freiburg und Heidelberg, wird Richter in Mannheim. Nach Veröffentlichung seines Buches "Das deutsche Patentrecht" erhält er 1888 die Professur für Rechtswissenschaften in Berlin. Seine Auseinandersetzung mit den Beziehungen zwischen dem Recht einerseits und Kultur, Philosophie, Geschichte und sozialer Situation andererseits, führt in den folgenden Jahren zu rund 2.500 (!) juristische Schriften ("Shakespeare vor dem Forum der Jurisprudenz"; "Zur Lehre von der Blutrache"; "Chinesisches Strafrecht"; "Altindisches Prozessrecht"; "Das Negerrecht"; "Ideale im Recht"). Außerdem publiziert er mehrere ästhetische Schriften: "Aus dem Land der Kunst"; "Zur Charakteristik Richard Wagners"; "Feuermythus"; "Liebestod"; "Der Ursprung der Melusinensage". Er ist Mitherausgeber verschiedener juristischer Fachzeitschriften und korrespondierendes Mitglied der Société de législation comparée in Paris und der Genootschap van kunsten en wetenschapen in Batavia.

Des Morgenlandes grösste Weisheit. Laotse. Tao Te King.
Verlag von Dr. Walther Rothschild. Berlin und Leipzig 1908
In fünfhundert handschriftlich numerierten Exemplaren. 93 Seiten

 

"Meine Wiedergabe unternimmt es, den Geist Laotses in die deutsche Sprache einzufangen, und dies in einer Form, welche möglichst den Eindruck der chinesischen Fassung widerspiegeln möchte. Es handelt sich hier natürlich wesentlich darum, die Antithesen mit der nämlichen Schärfe nebeneinanderzureihen, die tiefsinnigen Scheinsophismen hervorzukehren, die Schalkhaftigkeit des Denkers ebenso wie seine souveräne Verachtung des gewöhnlichen Menschentums im Ton der Sprache zum Ausdruck zu bringen."                           (Aus der Einleitung von  Joseph Kohler)

Kohler stellt Laotse in engen Bezug zur indischen Philosophie des Vedanta und bemerkt: "In der Tat ist es nur das philosophische Studium, welches uns ermöglichen kann, tiefer einzudringen, und insbesondere das Studium des Vedanta; denn wenn auch Laotse, in Bezug auf die Lebensweisheit, Ideen hat, welche den Stoizismus verwandt sind, so ist seine Metaphysik und Weltanschauung doch durchaus die des Vedanta." Er geht von einer Übernahme indischer Inhalte aus und hält das Gedankengut des TaoTeKing nicht für ein originär chinesisches Werk. Dies geht so weit, dass er den Begriff des TAO mit dem indischen  ATMAN als "Weltvernunft" übersetzt. Seine Einleitung ist ganze vier Seiten lang, die Übertragung zum Teil gereimt und für heutige Verhältnisse schwer lesbar. Kohler war ganz offensichtlich kein Sinologe und des Chinesischen somit nicht mächtig, wenn er schreibt: "Eine ganz vorzügliche Leistung aber ist die Uebersetzung von Carus in Chicago, der den richtigen Weg betrat: sie gibt die chinesischen Zeichen und Worte mit einer wörtlichen Uebersetzung, so dass man sich den Sinn selbst zusammenstellen kann, auch wenn man nicht selber Sinologe ist; so dass man es also nicht nötig hat, die einzelnen Worte aus dem schwierigen chinesischen Wörterbuch zusammenzusuchen." Denn es wäre in der Tat zu schön, wenn man chinesische Texte einfach Wort für Wort aus dem Lexikon übersetzen könnte.
  

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