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"Unsere
Übersetzung stellt den Versuch dar, eine möglichst korrekte, zeitgemäße und
stimmige Interpretation des altchinesischen Textes vorzulegen. Dabei
verlassen wir uns bei der Rekonstruktion der wohl intendierten Bedeutung der
altchinesischen Zeichen und hinsichtlich der Umgruppierung einzelner
Textpassagen, die sich aufgrund angenommener Transkriptionsfehler verirrt
haben sollen, hauptsächlich auf die wissenschaftlichen Expertise von Gu Li &
Zhou Ying (1995) und Chen Guying (1983). Wir sind nicht in allen Belangen
ihren Vorschlägen gefolgt, sondern haben sie dort berücksichtigt, wo sie
aufgrund der Textlogik und Struktur für uns Sinn ergaben. In dieser Hinsicht
ist unsere Übertragung als eine Interpretation zu betrachten, die einerseits
verständlich und somit brauchbar sein soll und andererseits die
Aufrichtigkeit wissenschaftlicher Nachvollziehbarkeit zu erfüllen versucht.
Eine allgemein gültige Fassung für eine Übersetzung des Daodejing kann nicht
beansprucht werden - einerseits, weil das klassische Chinesisch und die
indogermanischen Sprachen, so auch das Deutsche, nicht 'kompatibel'
miteinander sind, andererseits, weil die Uneindeutigkeit ein beliebtes
Stilmittel daoistischer Texte ist, um den Rezipienten zu verwirren und zum
Sinnieren einzuladen. Denn erst in der Verwirrung und der Kapitulation des
Egos mit all seinen sicher scheinenden Erkenntnissen und Haltungen wird die
Begegnung mit dem Dao, der verborgenen Natur der Existenzen, möglich. Und
schließlich fehlt uns heute auch ganz einfach das Wissen über die Bedeutung
mancher Zeichen, die teilweise eine ganz andere Bedeutungswolke in sich
tragen, im heutigen Chinesisch nicht mehr vorkommen oder mittlerweile andere
Bedeutungen angenommen haben.
Das Daodejing trägt eine versöhnliche Botschaft in sich, indem es Antworten
auf die Zerrissenheit unserer Welt gibt.
Die vorliegende Übersetzung basiert auf der intensiven Zusammenarbeit
zwischen meiner Ehefrau, Hsing-Chueng Schmuziger-Chen, und mir. Während sie
den Wortlaut und eine mögliche Deutung des Urtextes erarbeitete, war ich für
den sprachlichen Ausdruck ins Deutsche verantwortlich. Auf diese Weise haben
wir vom Vorteil chinesischer und auch deutscher Muttersprachlichkeit
profitieren können."
(Aus
dem Vorwort und der Einführung von Marc Schmuziger)
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