1979
Gustav Arthur Gräser

(*1879, V1958) Im Alter von 17 Jahren bricht der in Wien studierende Kunstschüler alle familiären und gesellschaftlichen Brücken hinter sich ab und begibt sich auf Wanderschaft quer durch Europa. Er lebt von vor Ort gehaltenen Vorträgen und dem Verkauf selbst gedruckter Gedichte auf der Straße. Mit 21 Jahren gründet er mit Freunden die Landkommune Monte Verità bei Ascona, die Pazifisten, Anarchisten, Theosophen und Lebensreformer anzieht (darunter auch kurzfristig Hermann Hesse). Ab 1910 zieht Gräser mit Weib und vielköpfiger Kinderschar im selbstgebauten Wohnwagen durch die deutschen Lande, oft angefeindet, verhaftet und von der Obrigkeit des Landes verwiesen. Für seine Kriegsdienstverweigerung entgeht er 1915 nur knapp der Exekution. Die Schweiz weist ihn 1919 als unbequemen Freigeist aus. Vor der Deportation aus dem Deutschen Reich schützt ihn 1926 nur das engagierte Eingreifen von Thomas Mann. Von der Nazi-Regierung mit Schreibverbot belegt und geächtet, verbringt Gräser die Zeit des III. Reichs zuletzt versteckt und notdürftig in Dachmansarden Münchener Professoren. Keines seiner Werke wird je zu Lebzeiten gedruckt. Das Haupt- und Spätwerk entsteht in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg. Bis zuletzt lebt Gräser besitzlos, trägt in Dichtergesprächen seine Werke auf der Straße vor und verteilt seine Schriften als Flugblätter in den Parks von München.

Tao: Das heilende Geheimnis.
Ein in den Wehen der Zeit wiedergeboren Menschheit-Buch
zur grohsen Heimkehr - Genesung - unsrer Welt.
Herausgegeben von Hermann Urspring.
Verlag Büchse der Pandora, Wetzlar 1979
ISBN 3-88178-032-7

(Die vollständige Textversion von Gustav Arthur Gräser
finden Sie über diesen
Link)

"Wenn man ihn nach seinem Leben fragte, wich er aus. 'An meinem Leben ist nichts wichtig; der alte Icke ist lange tot.' Dieser Mann, der das abenteuerlichste und mutigste Leben geführt hat, das man sich denken kann, das Leben eines freien Mannes, der sich nie in Knechtschaft begeben hat, der stolz darauf war, nie um Geld gearbeitet zu haben, dieser Mann hat in all seinen Schriften, auf Tausenden Blättern, so gut wie nichts über sein Leben verlauten lassen. ... Unter dem Druck härtester Not entstand in den Nachkriegsjahren Gräsers Alterswerk, in dem seine TAO-Erkenntnis und TAO-Verwandlung erst ihre letzte, reifste und blühendste Entfaltung erreicht ... Der Wanderer im selbstgenähten, buntfarbig bestickten Gewand, mit wallendem Haar und Bart, das Netz mit Früchten über der Schulter, die Sandalen an den nackten Füßen - er blieb ein Fremder in seinem Heimatland und er schien ein Gescheiterter. Es dauerte nicht mehr als zehn-zwanzig Jahre nach seinem Tod - da zogen Tausende, Zehntausende durchs Land, gekleidet wie er, heiter wie er, rebellisch wie er, naturfromm wie er. Und wieder lesen sie Laotse, lesen Buddha und Heraklit, lesen Thoreau, seinen Liebling - und lesen nun auch ihn, Gräser, lesen sein Tao-Buch ... Gräsers Tao-Buch - das ist fast ein Laotse inkognito."
                                              (Aus dem Nachwort von Hermann Urspring)

"Eine sehr eigenwillige, manchmal fast unverständliche Bearbeitung des TaoTeKing, die mit dem chinesischen Urtext nur noch die Grundzüge gemeinsam hat." Eine solche Beurteilung wäre sicherlich haltbar, wird dem Werk dieses ungewöhnlichen Menschen allein aber wohl nicht gerecht. Während als Vorlage die 1911 neu erschienene Übersetzung von Richard Wilhelm gedient haben könnte, gerät die Auslegung von Gräser zu einer höchst individuellen Umformung des Textes, die auch vor neuen Wortschöpfungen nicht Halt macht (und ein sehr konzentriertes Lesen erfordert!). Es gibt Bücher, die man nur aus genauerer Kenntnis des Schreibers heraus verstehen kann, die ansonsten fremd und befremdlich bleiben. Um ein solches könnte es sich hier handeln.
  

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