1941 |
(Biographische Angaben liegen nicht vor) |
Lau Dse. Dau Do
Djing. |
" Der
namenlose Unbekannte aus dem 4. Jahrhundert vor unserer Zeit mit dem Ehrentitel Lau dse:
Alter Meister, dessen Persönlichkeit in jedem Kapitel seines Werks sich eindringlich, wie
mit den Händen greifbar, aus der Logik der Sprucharchitektur erhebt, verfaßte - als
Adliger an die adligen Führer des Volks sich wendend - dieses Buch visionärer Schau in
einer merkwürdigen, der Darstellung und Versinnbildlichung tiefster Einsichten wenig
angemessenen Schreibart. Er erfand weder eine neue Sprache, noch neue Worte, sondern griff
landläufige, altehrwürdige Redensarten, Reimsprüche der Lebensweisheit, Spruchgut des
Volks, zusammen mit Lehrsprüchen und Maximen anderer Denker und Staatsmänner seiner Zeit
auf und nahm sie zu Grundstock und Kernstücken seines Spruchgefüges. Dann gab er - die
Vieldeutigkeit der chinesischen Worte bei Klanggleichheit infolge ihrer Lautarmut
geschickt sich zu nutze machend - mit leichterer Bedeutungswendung oder mit gewaltsamer
Sinnrückung, wohl auch nur durch Zufügung eines ergänzenden Parallelgliedes, diesen
Stückchen einen neuen Sinn, sodaß Wohlbekanntes augenblicklich nicht nur als Protagonist
seiner eigenen, gegensätzlichen Weltansicht aufsprang, sondern sogar im Gesicht und mit
dem Gewicht des Althergebrachten und Autoritativen erschien. Selbst die Grundworte seiner
Welteinsicht, Dau: wirkende Norm, und Do: wirkende Kraft, und andere,
waren lange schon geläufige, vertraute Bezeichnungen, deren Inhalt das wortspielerisch
veränderte Sprichwort oder Epigramm plötzlich magisch-verwirrend im farbigen Schlaglicht
eines geheimen, bislang verborgenen Sinnes aufleuchten ließ. So führte er den
nichtsahnenden Initianten an der Zauberrute des Sprachspiels vom Altbekannten aus über
die Brücke der Bedeutungsverschiebung hinüber und - zurück zum selben Allbekannten, das
aber nunmehr vor dem Verblüfften als Träger eines gänzlich Verschiedenen und unendlich
Vertieften dastand. Über Wortspiele und Paradoxe als Mittel seiner Dialektik machte er so
die Schlagworte des Altertums zu den heiligen Urworten seiner Doktrin.
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