1915
Carl Dallago

(*13.11.1869 in Bozen, U18.1.1949 in Innsbruck) Kulturphilosoph und Schriftsteller. Anfänglich im elterlichen Tuchgeschäft in Bozen beschäftigt, beginnt er ab 1900 als freier Schriftsteller zu publizieren. Er wohnt am Gardasee und schreibt seine Arbeiten vorwiegend im Freien. Ab 1910 wird er Hauptmitarbeiter der Zeitschrift "Der Brenner", wo er 1926 erste Artikel gegen das faschistische Regime Mussolinis publiziert. Erzwungener Umzug nach Innsbruck. 1929  folgt eine zweite Polemik unter dem Titel "Die Diktatur des Wahns". 1932 Mitarbeit an der in Berlin herausgegebenen und gegen den Nationalsozialismus gerichteten Zeitschrift "Der Sumpf". Bis 1945 Arbeit am letzten Hauptwerk "Der Begriff des Absoluten". Dallago richtet sich in seinen Arbeiten gegen jede Art von Institution, besonders gegen "die große existenzielle Irrlehrerin, die römische Kirche"; "Ich habe zu bekennen, daß das von der offiziellen Kirche ins Leben gerufene und geförderte politische Kirchenchristentum in mir Widerwillen bis zu dem Grade auslöste, daß ich nahezu gedrängt war, das ganze Christentum als einen immensen Betrug und Unfug zu verwerfen.", gegen jede Herrschaftsform, gegen blinden Fortschrittsglauben u. ä.. Sein Ideal sieht er im "reinen Menschen der Vorzeit".

Erstveröffentlichung: 
Laotse / Der Anschluss an das Gesetz 
oder Der grosse Anschluss / Versuch einer Wiedergabe des Taoteking.
(als Text im "Brenner-Jahrbuch 1915",
Seiten 62-129)
Erste eigenständige Buchausgabe:  
Laotse / Der Anschluss an das Gesetz 
oder Der grosse Anschluss / Versuch einer Wiedergabe des Taoteking.
Brenner-Verlag Innsbruck 1921

Dritte Auflage:
Innsbruck 1927
Neudruck der dritten Auflage:
Verlag Lambert Schneider, Heidelberg 1953.

 

          "Ich lernte den Taoteking kennen, und zwar aus einer deutschen Übertragung, die Richard Wilhelm besorgt hatte. Der Eindruck des Buches war bezwingend und in manchem Betracht für mich derartig bedeutungsvoll, daß es mich drängte, in einem Aufsatz ("Laotse und ich") der außerordentlichen Verehrung, die mich für den Geist des altchinesischen Weisen ergriffen hatte, in einer Weise Ausdruck zu geben, die weder vor Mißdeutungen noch auch davor zurückscheute, gegen die Übersetzung da und dort begründeten Einwand zu erheben. Seitdem hat Laotse eine stets sich steigernde Anziehungskraft auf mich ausgeübt. Zwei Grundnoten meines Wesens stimmten mich besonders empfänglich für ihn: Meine Überzeugung von dem Unwert der Menge als solcher, sowie mein Glaube an das große Einende im Menschen. ...
          Das Chinesische zu erlernen hatte ich weder Lust noch Möglichkeit; es fehlten alle äußeren Behelfe und, bei meinem Mangel an Sprachtalent, auch alle inneren Voraussetzungen zu einem solchen Entschluß. ...
          Zur Wilhelm'schen Ausgabe des Taoteking verschaffte ich mir noch jene von Alexander Ular. ... Endlich noch eine Bearbeitung aus dem Englischen von dem Theosophen Dr.Franz Hartmann "Betrachtungen über das Tao-Teh-King" Aus diesen drei Vorlagen, ohne weitere Hilfe, des Chinesischen also ganz und gar unmächtig, gestaltete ich die nachstehende Arbeit. Mein Bestreben war, alles, was mir verfehlt schien, nach Vermögen richtig zu stellen und in die Tiefe des fremden Vorwurfs meine eigene Klarheit zu legen, so daß ich keinen Satz zuließ, dessen Sinn mir nicht, wenigstens in der Vorstellung, völlig deutlich und lebendig geworden. Lieber will ich in dieser Hinsicht meine eigene Unzulänglichkeit offen an den Tag legen, als dem Leser eine Zulänglichkeit vortäuschen, die im Grunde nicht vorhanden ist. Dies mein Beginnen mag nun freilich befremden ... Im vorliegenden Falle war ich häufig nur auf mein Gefühl angewiesen, um bei der Deutung zweifelhafter Stellen das vermutlich Richtige herauszufinden. ... Meine Wiedergabe des Taoteking kann darum auch nichts Erfüllendes sein: sie kann nicht in allen Stücken der Urschrift völlig gerecht geworden sein. Aber ich glaube, manche Stelle entscheidend für eine Aufnahme erschlossen zu haben. Daß ich mir manche Freiheit erlaubte, gebe ich gerne zu, denn wo ich in meinen Vorlagen Mangel an Klarheit oder einen Sinn vorgetäuscht und Banales gesagt fand, ersetzte ich es eben durch meine eigene Auffassung. Laotse gegenüber ist dieses sicher besser zu verantworten als jenes."   
                                                        (Aus dem Vorwort 1914 von Carl Dallago)

Mutig, mutig. Doch bin ich der Meinung, gerade vor diesem Hintergrund wäre es sinnvoll gewesen, Dallago hätte für seine Recherchen besser alle seinerzeit verfügbaren Übersetzungen des Tao Te King zu Rate gezogen, drei Ausgaben sind bei seinem Arbeitsansatz doch etwas dürftig - wie man feststellen kann. Die Wortwahl "Anschluß" für den Begriff des TAO ist reichlich eigen. Vor allem, dass er im Vorwort meint, die Arbeit der Sinologen lang und breit maßregeln zu können, ist seiner Publikation ziemlich abträglich.

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